Die 10 Stufen des Zuhörens

In unserem Alltag führen wir viele Gespräche – sei es mit uns vertrauten Menschen, Arbeitskollegen oder flüchtigen Bekannten. Jedes Gespräch unterscheidet sich vom anderen, jedoch haben sie alle eine Sache gemeinsam: Wir hören unserem gegenüber in irgendeiner Art und Weise zu.

 

Dass es verschiedene Stufen des Zuhörens gibt, ist uns meist gar nicht bewusst. Wenn wir aber vermehrt reflektieren WIE wir zuhören, kann sich die Qualität unserer Gespräche und auch die Beziehung zu unserem Gegenüber stark verbessern.

 

Aus diesem Grund möchten wir Ihnen einen kleinen Wissensbeitrag zu den 10 Stufen des Zuhörens zur Verfügung stellen.

Vorab noch folgendes: Wir leben in einer Kultur des Mitteilens und nicht des Zuhörens. Das heißt, dass wir stets darum bemüht sind, unsere Befindlichkeiten, unsere Meinung und unsere Wünsche anderen zu kommunizieren. Wir sind in unserem Alltag weniger darauf bedacht unserem Gegenüber wirklich zuzuhören - denn das bedarf jeder Menge Zeit (die wir oft nicht haben) und jeder Menge Konzentration (die wir auch oft nicht mehr haben).

Weiterhin können diese Stufen nicht starr betrachtet werden. Im Laufe eines Gesprächs und in Abhängigkeit vom Gesprächspartner können sich die Stufen vermischen und ineinander übergehen.

Diezehn Stufen des Zuhörens (zitiert nach Wladislaw Jachtschenko) werden in zwei Systeme, dem antwortsüchtigen und dem verstehenden Zuhören, untergliedert. Wobei die ersten sechs Stufen dem antwortsüchtigen und die Stufen sieben bis zehn dem verstehenden Zuhören zugeordnet werden können.

Nun aber zu den jeweiligen Stufen:

 

1. Vortäuschendes Zuhören

Darunter wird verstanden, dass wir in Wirklichkeit unserem Gegenüber gar nicht zuhören, sondern eben nur vortäuschen zuzuhören. Das Mindset, die Befindlichkeiten des anderen sind uns dabei nicht wichtig, sondern nur unsere eigenen Interessen. Ein Beispiel dafür wäre zum Beispiel folgende Situation: Hannelore sitzt auf dem Sofa und spielt ein Online-Spiel auf Ihrem Handy. Der Mann von Hannelore teilt ihr Erlebnisse von seinem Arbeitstag mit – Hannelore stimmt ab und zu seinen Aussagen zu, nimmt die Informationen aber gar nicht auf und weiß nach dem Gespräch überhaupt nicht, was ihr Mann ihr erzählt hat.

 

2. Kürzendes Zuhören

Beim kürzenden Zuhören unterbrechen wir unser Gegenüber mitten in dessen Ausführungen, weil wir glauben zu wissen, was die Person uns sagen will. Ganz oft passiert das in stressigen Situationen und auch wenn das oft vielleicht gar nicht böse gemeint ist, erschwert es die Kommunikation und kann auch als Zeichen von Respektlosigkeit gedeutet werden.

3. Selektives Zuhören

Das selektive Hören kennen sicher auch alle. Es wird besonders gut durch den Spruch „Du hörst auch nur das, was du hören willst“ verdeutlicht. Meist spaßig gemeint, oder auch mal ernst, muss dazu gesagt werden, dass diese Art des Zuhörens sehr gefährlich für unsere Kommunikation und Beziehung zueinander sein kann. Ganz abgesehen davon, dass so auch der Informationsfluss maßgeblich beschädigt werden kann und auch in Unternehmen so große Fehler passieren können.

 

4. Übertrumpfendes Zuhören

Auch diese Art des Zuhörens findet im Alltag leider viel zu oft Verwendung – dabei möchten wir den Gesprächspartner überholen und versuchen das Gespräch „zu gewinnen“. Das WIE spielt dabei weniger eine Rolle. Zwei kleine Beispiele:

Beispiel:

Rosi sagt zu Hildegard, dass es ihr nicht gut gehen würde. Darauf steigt Hildegard direkt ein und berichtet davon wie schlecht es ihr doch gehen würde. Damit versucht Hildegard das Gespräch für sich zu gewinnen, in dem sie deutlich macht, dass es ihr schlechter gehen würde als Rosi.

 

5. Egoistisches Zuhören

Das egoistische Zuhören zeichnet sich dadurch aus, dass eine Beziehung als Transaktion verstanden wird, in der der Zuhörende von den Erzählungen des Anderen profitiert. So wird versucht, so viele Informationen wie möglich zu erhalten und diese dann genutzt, um einen eigenen Vorteil daraus ziehen zu können. Ein derartiges „Zuhörverhalten“ ist nicht nur ungesund, sondern schadet auch aktiv der Beziehung, dem Teamzusammenhalt und dem gegenseitigen Vertrauensverhältnis.

 

6. Beratendes Zuhören

Auch wenn sich „beratendes Zuhören“ erst einmal gut anhört, hat es durchaus eine nicht sonderlich positive Bedeutung. Es wird auch als „pseudoaltruistisches Zuhören“ deklariert, was meint, dass der Zuhörende nur vorspielt selbstlos zuzuhören. Dahinter verbirgt sich allerdings die Absicht, sich selbst zu profilieren, indem beispielsweise ungefragt Ratschläge gegeben werden und der Zuhörende sich selbst als Experte ausweist.

Beispiel:

Hans erzählt seinem Freund Peter, dass sein Sohn aktuell sehr fordernd ist – einfach um sich mitzuteilen. Peter entgegnet daraufhin: „Ich weiß ganz genau was du da machen musst – du musst XYZ machen, damit er wieder auf dich hört und das macht was du willst.“

 

7. Aufmerksames Zuhören

Ab diesem Punkt beginnt das zweite System, das verstehende Zuhören. Aufmerksames Zuhören kann dabei meist nur passiv erfolgen. Der Zuhörende hört demnach wirklich nur zu und sendet damit die Botschaft „Ich will dich verstehen“.

 

8. Aktives Zuhören

Aktives Zuhören unterscheidet sich vom aufmerksamen Zuhören in der Hinsicht, dass der Zuhörende Gesprächstechniken nutzt, wie zum Beispiel Nachfragen, Paraphrasieren und Pausen geben. Nachfragen meint dabei, dass explizite Fragen zum Erzählten gestellt werden. Paraphrasieren bedeutet, dass das Gesagte zusammengefasst wird und um Bestätigung oder Ablehnung gebeten wird. Beim aktiven Zuhören ist die liegt die Intention dabei, dass nicht nur das Gesagte gehört, sondern auch wirklich inhaltlich verstanden werden will.

 

9. Empathisches Zuhören

Empathisches Zuhören beinhaltet alle Punkte des aktiven Zuhörens, wird aber noch um die Aufmerksamkeit auf Körpersprache, Mimik und Gestik ergänzt. Wir wollen dabei also nicht nur verstehen, was gesagt wird, sondern auch, welche Empfindungen dabei eine Rolle spielen, um uns in unser Gegenüber hineinversetzen zu können. Es wird hierbei sowohl die Sach- als auch die Beziehungsebene der Kommunikation genutzt und betrachtet.

 

10. Helfendes Zuhören

Hierbei werden zwei Arten unterschieden. Zum einen die psychische Hilfe und die praktische Hilfe. Bei der psychischen Hilfe steht wieder das Zuhören im Mittelpunkt, der Erzählende braucht vielleicht einfach nur jemanden, der aktiv da ist – hierbei wird auch nur ein Rat gegeben, wenn dieser eingefordert wird. Die praktische Hilfe zeichnet sich dadurch aus, dass ein „in die Tat kommen“ stattfinden, sofern es gewünscht wird! Dies meint, dass Hilfe angeboten wird, gemeinsam Ansprechpartner bei Problemen gesucht und Empfehlungen gegeben werden.

 

Wie beschrieben, nutzen wir in einem Gespräch nie nur eine Stufe des Zuhörens. Wir können auch nicht permanent die Stufen sieben bis zehn umsetzen, sondern wechseln, je nach Bedarf, zwischen den Stufen. Jedoch ist es nie verkehrt, das eigene Zuhörverhalten zu beobachten und zu hinterfragen – Wie höre ich meistens zu? UND wie will ich zuhören?